Wohnen ist kein unveränderbarer Zustand. Lebensbedürfnisse alter Menschen

Peter Pruner

Aus: abi-Bau im Spiegel, Ausgabe 10, (Hochbau), architektur und bau. Installation. Herbst/Winter 1990., 19. Jahrgang, Wien, S. 6-24

Obwohl die gesellschaftspolitische Brisanz des Themas "Wohnen im Alter" evident ist – immer mehr Menschen werden immer älter – ist es hierzulande bis auf wenige Ausnahmen um eine akzeptable Wohnqualität für Senioren noch schlecht bestellt. Dabei lassen sich Konzepte für zweckmäßige, an die unterschiedlichen Bedürfnisse angepasste Wohnungen mit geringem Mehraufwand realisieren; den Architekten, Bauherrn und Möbelherstellern eröffnen sich interessante Aufgaben und Märkte.

Titelseite des Artikels
Bettlägrigkeit zwingt zum "Wohnen im Bett"

Komplexe Wohn- und Lebensumstände

Der "moderne" Lebensraum ist, drastisch formuliert, altenfeindlich. Die auf den motorisierten Individualverkehr zugeschnittenen Raumkonzepte sowie eine Einkaufs- und Freizeitinfrastruktur für jüngere Jahrgänge berücksichtigen die Bedürfnisse alter Menschen, bei denen sich häufig Gebrechlichkeit und Unbeholfenheit einstellen, kaum. Alsbald ziehen sich ältere, solchermaßen isolierte Menschen in die eigenen vier Wände zurück und verschwinden aus unserem Bewußtsein, aus dem öffentlichen Geschehen.
Nun erlangt komfortables, bedürfnisgerechtes Wohnen zentrale Bedeutung für den Senioren, ein Großteil seiner Aktivitäten und Lebensgestaltung verlagert sich in den Wohnbereich. Und der entspricht zumeist nicht seinen spezifischen Anforderungen; ein einigermaßen problemloses Bewältigen des Alltagslebens wird dadurch erschwert, wenn nicht gar verhindert. Denn über die wichtigste Funktion des Wohnens – ein Dach über dem Kopf zu haben – hinaus, organisieren wir unser Leben innerhalb der vier Wände durchaus unterschiedlich. Unsere Möglichkeiten und Individualität, unser Wollen manifestiert sich nicht zuletzt in dieser differenzierten Lebensweise: Wohnen wird vor allem im Alter "zum Leben selbst".
Das Älterwerden ist oft verbunden mit zunehmenden Einschränkungen der Beweglichkeit. Je stärker dieser Mobilitätsverlust, desto Wichtiger wird die funktionelle Eignung der Wohnung, da die Aufenthaltsdauer innerhalb der eigenen vier Wände immer länger wird – ein Vorgang, der jüngeren und vielen im Erwerbsleben stehenden Menschen im allgemeinen wenig bewußt ist. Wer morgens die Wohnung verläßt und erst abends zurückkehrt, wer die Wochenenden außer Haus verbringt, der erlebt die Wohnung zweifellos anders als jemand, für den sich der Lebensraum aufgrund seines körperlichen Zustandes auf die eigenen vier Wände reduziert.
Wie sehr die Möglichkeit zur selbständigen Lebensführung von der baulichen und ausstattungsmäßigen Qualität der eigenen Wohnung abhängt, wird oft sehr spät erkannt.
Viele Betroffene stellen sich nicht zeitgerecht auf die veränderten Lebensbedingungen ein – notwendige Verbesserungen der Wohnsituation werden zu spät oder überhaupt nicht mehr vorgenommen. Das hängt natürlich auch mit der Tatsache zusammen, daß die erforderlichen Verbesserungsmaßnahmen oft mit hohem Aufwand an Zeit, Organisation, vor allem aber an Kosten verbunden sind. Das Resultat: Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung, die oft drastisch zunehmen, wenn ein Partner stirbt. In vielen Fällen wird dann ein Wechsel in ein Altenheim erwogen, eine Situation, die durch rechtzeitige, geeignete Maßnahmen zu vermeiden wäre.

Autonomie statt Abhängigkeit

Wohnen ist also kein unveränderbarer Zustand! Wohnen ist Ausdruck von Autonomie und somit das Gegenteil von "Versorgung", um einen antiquierten, bei Sozialpolitikern und Verantwortlichen ungeliebten, aber doch sehr passenden Begriff für das "Versorgen" von alten Menschen in Altenheimen zu verwenden, wo sich der Lebensraum auch heute noch häufig auf Bett und Nachtkästchen beschränkt.
Daß es auch andere sozialpolitische Orientierungen gibt, die dem Wohnen alter Menschen zu Hause absolute Priorität einräumen, läßt sich am Beispiel Dänemark ableiten: Seit etwa einem Jahr ist in Dänemark ein Gesetz in Kraft, das den Bau von herkömmlichen Altersheimen untersagt. "Würdiges Altern heißt die Alternative zu dem bloßen Warten auf den Tod in oft kalten, anonymen Institutionen. Dem alten Menschen zu ermöglichen, so lange es geht, in seiner eigenen Wohnung zu bleiben, ihn, dann so unabhängig wie möglich sein zu lassen und ihm doch die nötige öffentliche Hilfe zu sichern", so umschreibt Ole Frickmann, Direktor des "Verbandes zum Schutz älterer Menschen", die Zielsetzung des Gesetzes. Die Reform der Altenpolitik hätte sich, so ergänzt Frickmann, auch im Wohlfahrtsstaat Dänemark kaum durchführen lassen, wenn sich die Politiker davon nicht Kostensenkungen versprochen hätten. Neben, der Forcierung des Wohnens zu Hause werden in Dänemark auch sogenannte beschützte Wohnungen für alte Menschen als Alternative zu den Wohnheimen errichtet (3).
Die Erhaltung der Selbständigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung für das "Wohnen zu, Hause". Sie muß im Zusammenhang mit dem Wohnen alter Menschen zu den wesentlichen Zielsetzungen gehören und der Leitgedanke für alle Maßnahmen sein, die sich auf das Wohnen beziehen. Selbständigkeit heißt, weitgehend eigenverantwortlich das Leben zu Hause zu organisieren, die Wohnung möglichst ohne fremde Hilfe verlassen oder aber auch, in der eigenen Wohnung bleiben zu können.
Der bauliche und ausstattungsmäßige Zustand der Wohnung kann zum entscheidenden Faktor werden, wenn es um den Verbleib des alten Menschen in seiner eigenen Wohnung geht. Dabei zieht ein Großteil der alten Menschen die eigenen vier Wände einem Altenheim vor. Einer Studie der Stadt Linz zufolge möchten 76 Prozent der über 60jährigen am liebsten zu Hause bleiben. Die Unterbringung in einem Altersheim mit moderner Versorgung fanden hingegen nur 13, in einer Seniorenwohnung mit Hilfestellung durch andere 10 Prozent der Befragten erstrebenswert (4). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Untersuchung, die in Köln durchgeführt wurde (5), eine Befragung älterer Einwohner der Schweiz ergab sogar, daß sich 90 Prozent (!) der Betagten trotz zugegebener Mängel an ihrer Wohnung gegen einen Wohnungswechsel äußerten (6). Auch Gesundheitsminister Ettl bekannte in einer Fernsehdiskussion, im Alter so lange als möglich in seiner gewohnten Umgebung bleiben zu wollen (7).

Altenwohnungen – eine soziale Herausforderung

Diese Aussagen dürfen aber nicht über die heutige Realität hinwegtäuschen, daß 30-40 Prozent der Betagten bis zu ihrem Tod zumindest einmal in einem Heim untergebracht waren (8). Dieser hohe Prozentsatz ist zweifellos auch ein Ausdruck dafür, daß heute bei uns noch viele Voraussetzungen fehlen, die den Verbleib alter Menschen in ihren Wohnungen möglich machen würden,
Die absolute und relative Zunahme alter Menschen im demographischen Aufbau der Bevölkerung hat viele Ursachen, insgesamt aber repräsentiert diese langfristige Tendenz eine spezifische Ausprägung unserer Zivilisation: Seit mehr als einem Jahrhundert ist in den hochindustrialisierten Ländern die Verlängerung der Lebenserwartung mit einem Rückgang der relativen Geburtenziffern verknüpft (10). Prognosen belegen, daß die Lebenserwartung bis zum Jahr 2015 von Frauen auf 80,5, von Männern auf 74,1 Jahre steigen wird.
Die Brisanz dieses Problemes lässt sich anhand der folgenden Prognose deutlich machen: Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung in Österreich werden um die Jahrtausendwende auf 1000 Erwerbstätige 526 Pensionisten kommen. Im Jahr 2030, also in vierzig Jahren, werden, sofern sich die Lebenssituation nicht drastisch verschlechtert, bereits 700 (!) Pensionisten 1000 Erwerbstätigen gegenüber zu stellen sein (11).
Von 394.000 Österreichern mit Bewegungsstörungen entfallen 24 Prozent auf die 70-79jährigen, 23 Prozent auf die 60-69jährigen und 15 Prozent auf die über 80jährigen. Über 601 Prozent der Betroffenen sind Pensionisten (Österreichischer Mikrozensus 1985) (12). Der Anteil an sehr alten Personen nimmt insbesondere in Wien zu. 1981 betrug der Anteil der über 60jährigen rund ein Viertel der Wohnbevölkerung, von denen wiederum 135.000 Personen älter als 75 Jahre waren (13).
Die Anzahl der pflegebedürftigen Personen wird in Wien im Zusammenhang mit dem dringend erforderlichen Ausbau der ambulanten Betreuung dieser Personengruppe in ihren Wohnungen mit 4700 angegeben (9).

Adaption zur besseren Benutzung des Badezimmers (Badewannenlift, klappbarer Spiegel)

Unterschiedliche Ansprüche

Der Bereich des Alters umfaßt, wenn wir ihn auf Pensionsgrenzen, medizinische und sozialpolitische Entwicklungen beziehen, körperlich und geistig agile Sechzigjährige ebenso wie pflegebedürftige, sehr alte Menschen. Unter diesen Aspekten ist es fraglich, ob man die ganz unterschiedlichen Existenzen finanziell abgesicherter, wohlhabender, aufgeschlossener, sechzigjähriger "Senioren" und hinfälliger, pflegebedürftiger, neunzigjähriger Mindestrentner unter demselben Begriff oder Bild des Alters thematisieren kann (14). Deshalb sind spezifische Voraussetzungen bezüglich der Wohnproblematik der jeweiligen Personengruppe zu berücksichtigen. Eine Kategorisierung vereinfacht die Problemlage, ja sie verfälscht meistens und ist deshalb nicht sinnvoll. Das geht schon daraus hervor, daß viele empfohlene Maßnahmen auch jüngeren Personen, vor allem auch jungen behinderten Menschen, zugute kommen. Bei genauerer Betrachtung der Bedürfnisse und Notwendigkeiten läßt sich oft sehr schnell erkennen, daß sehr viel mehr Menschen von einer Maßnahme betroffen sind als ursprünglich angenommen worden war. Alle Lösungsansätze sollten daher darauf abzielen, einen möglichst großen Personenkreis zu berücksichtigen, Im Zusammenhang mit der Lebenssituation alter Menschen heißt das, die Wohnsituation in den eigenen Wohnungen gezielt zu verbessern, um einen Wohnungswechsel oder den Umzug in ein Heim zu vermeiden. Bei Errichtung neuen Wohnraums sollte schon heute darauf geachtet werden, daß die Bewohner auch im Alter dort wohnen bleiben können.

Die Wohnsituation alter Menschen

Viele Betroffene wohnen unter sehr schwierigen Bedingungen. Eine 1988 durchgeführte Befragung von 24 Heimhelferinnen ergab, daß bei geschätzten 20 Prozent der Personen, die von einer Wiener Heimhilfeorganisation betreut werden das Wasser am Gang ist, in etwa 35 Prozent die Toilette. Viele können die Wohnung nicht mehr selbständig verlassen, da bei höher gelegenen Wohnungen die Oberwindung der Stufen zu beschwerlich ist. In Studien aus dem Jahr 1975 wird auf einen Widerspruch zwischen realen Wohnungsmängeln und gleichzeitig hoher subjektiver Wohnzufriedenheit verwiesen. Die in Wien und Linz durchgeführte Umfrage ergab für die subjektive Zufriedenheit eine, durchschnittliche Bewertung mit der Note 2. Was auf die fünfteilige Bewertungsskala von sehr zufrieden bis sehr unzufrieden bezogen heißt, daß die Mehrheit der Befragten mit der Wohnsituation zufrieden war (16). Die Erklärung für dieses Maß an Zufriedenheit wird in der Resignation der alten Menschen, in der in einer Dauersituation verfestigten, oft schlechten Wohnsituation ... (IFES) gesucht. Faktum ist jedoch eine vielfach bestehende, grundsätzlich positive Beziehung zur eigenen Wohnung, ungeachtet aller technischen Mängel – eine Beziehung, die also auch auf empirisch nur schwer nachvollziehbaren Gefühlskategorien beruht. Die Bedeutung von Funktionalität und Konsumwert einer Wohnung tritt zurück gegenüber Identifikation, Vertrautheit und Gewöhnung (17).
Eigene Erhebungen von Mag. Pruner bestätigen diese Interpretation mit einem eindrucksvollen Beispiel: Ein Schwesternpaar, die ältere der beiden Frauen ist 92 Jahre alt, die jüngere 79. Die Altbauwohnung, in der die jüngere seit ihrer Geburt wohnt, liegt im vierten Stock und verfügt weder über ein Bad noch über eine Toilette (Wasser von der Bassena, Gemeinschaftstoilette am Gang). Die jüngere der beiden Schwestern hat das Bett seit zweieinhalb Jahren nicht mehr verlassen, nachdem eine bis heute nicht eindeutig diagnostizierte Lähmung der Beine aufgetreten war. Die 92jährige ist vor kurzem auf dem Weg zur Toilette außerhalb der Wohnung gestürzt und liegt seither auch im Bett. Die Frauen werden nun von Heimhelfern betreut und müssen täglich gewaschen werden. Beide lehnen es trotz der aufgetretenen Probleme bis heute vehement ab, in ein Pflegeheim zu wechseln. Sie "wohnen" gewissermaßen im Bett. Alle wichtigen Utensilien sowie Essen, Getränke, Zeitungen, Telefon, Radio, Schalter für Licht und Fernsehen werden von den Heimhelfern in und um die Betten der beiden Frauen herum so angeordnet, daß die Dinge leicht erreichbar sind. Auf die Frage nach ihrem Befinden antwortete die jüngere: "Mir wird der Tag zu kurz, so viel hab' ich zu tun!" So erstaunlich diese Antwort klingen mag, Tatsache ist, daß diese Frauen ihren Tagesablauf in der bestmöglichen Weise selbst bestimmen und sich trotz aller Einschränkungen eine gewisse Selbständigkeit erhalten haben. Eine Selbständigkeit, die in einem Heim nicht realisierbar wäre.
Gleichermaßen inakzeptabel wäre es freilich, würde man die fraglos problematische Wohnsituation vieler alter Menschen mit dem Hinweis auf die Subjektivität von Standards und Bedürfnissen abtun. So befindet sich über ein Viertel aller Pensionistenhaushalte in Substandardwohnungen (bei einem Gesamtanteil von 14 Prozent), darunter fast die Hälfte aller Bezieher einer Ausgleichszulage. In Wien werden die insgesamt ca. 150.000 Substandardwohnungen zum überwiegenden Teil von älteren Menschen bewohnt (17). Zima gibt an, daß ein Drittel aller behinderten alten Menschen und rund zwei Drittel aller von der Heimhilfe betreuten Personen in Wohnungen ohne WC und häufig ohne fließendes Wasser leben (18).
Über Ausmaß und Dringlichkeit der Mängelbehebung gibt es in Expertenkreisen sehr unterschiedliche Positionen, oft bleiben Einkommensschwäche und emotionale Bindung älterer Bewohner unberücksichtigt. Im Rahmen von Stadterneuerungsmaßnahmen erfolgen in vielen Fällen unverhältnismäßig starke Standardanhebungen, die von den Bewohnern meistens nicht gewünscht und finanziell nicht verkraftbar sind (19). Die Problematik der Finanzierung von Verbesserungsmaßnahmen durch die Betroffenen wird durch den Umstand deutlich, daß 65 Prozent aller Alterspensionistinnen Pensionen beziehen, die unter der Armutsgrenze liegen; bei Männern sind es 23 Prozent. Frauen sind daher auch aus ökonomischen Gründen weniger als Männer in der Lage, im Alter finanzielle Mittel für Probleme bereitzuhalten (20).

"Anpaßbarer Wohnungsbau" – ein Weg aus dem Dilemma

In Holland geht man bei der Errichtung von Wohnraum etwa seit 1985 neue Wege. Und zwar wird davon ausgegangen, daß es auch aus Kostengründen zweckmäßiger ist, die Wohnung von vornherein so zu errichten, daß eine später erforderliche Änderung schnell und kostengünstig vorgenommen werden kann. Dieses Konzept ist auch im Zusammenhang mit der Wohnproblematik bei alten Menschen interessant.

Grundrissbeispiele für die nachträgliche Veränderung von Sanitärräumen
Anpassbares Bauen im Sanitätsbereich (21)

Es hätte nämlich für den betagten Bewohner den enormen Vorteil, daß entsprechend den eventuell eingetretenen körperlichen Beeinträchtigungen mit vergleichsweise geringem Aufwand die erforderlichen Adaptierungen bzw. Änderungen vorgenommen werden können. Nach Ermittlungen des "Nationalen Woningraad", des Dachverbandes der Wohnbaugenossenschaften in den Niederlanden, ist die Anpassung einer Wohnung an die Bedürfnisse behinderter oder betagter Personen um 30 bis 60 Prozent billiger, wenn diese Wohnung bereits anpaßbar gebaut wurde. Diese Anpassung wird vom Staat bezahlt; der Einsparungseffekt wird auch hier im Zusammenhang mit der zu erwartenden Überalterung der Bevölkerung als wesentlicher Faktor betrachtet.
Auch in Dänemark wird bereits der anpaßbare Wohnungsbau praktiziert. Es dürfte die gleiche Philosophie zugrunde liegen, wie sie aus Holland bekannt ist. Lt. einem Erlaß von 1985 wird auch für "kleine Häuser" (Einfamilienhäuser, Reihenhäuser etc.) anpaßbarer Wohnungsbau gefordert. Es wird davon ausgegangen, daß bei der Wohnungseinrichtung alle künftigen Anforderungen eines behinderten oder betagten Bewohners bekannt sind. Neuerdings gibt es auch in der Schweiz Bemühungen, den anpaßbaren Wohnungsbau zu forcieren. Wobei die Schweizerische Fachstelle für behindertengerechtes Bauen in Zürich streng "angepasster" und "anpassbarer" Wohnung unterscheidet. Während die angepaßte Wohnung maßgeschneidert auf die Bedürfnisse des behinderten Bewohners ist, ist die anpaßbare Wohnung hingegen der Ausgangszustand, der diese Anpassung ohne übermäßige und vermeidbare Eingriffe zulassen soll. Dieser Ausgangszustand sollte, wie beim Konzept zum anpaßbaren Wohnungsbau in Holland und in Dänemark, unabhängig vom augenblicklichen oder zukünftigen Nutzer überall erstellt werden.

Der Wohnungsbau von morgen sollte nicht mehr unterscheiden zwischen Jungen und Alten, Gesunden und Kranken, er kennt keine Behinderten, sondern nur Menschen, die wohnen. Hinsichtlich der Kosten geht die Schweizerische Fachstelle davon aus, daß im Regelfall, unter Beachtung des heutigen Stands der Technik, die minimalen Anforderungen des anpaßbaren Wohnungsbaus keine Mehrkosten verursachen (23).

Die Kosten altengerechten Bauens

Der Wiener Architekt Schobermayr, der viele Jahre im Auftrag des Sozialamtes der Stadt Wien für die Errichtung behindertengerechter Wohnungen beratend tätig war, ermittelte für das behindertengerechte Bauen von Wohnungen durchschnittliche Mehrkosten von 0,066 Prozent gegenüber den baulichen Gesamtkosten. Diese Mehrkosten beziehen sich auf die rein baulichen Aspekte. Für die Ermittlung dieses Prozentsatzes wurden sechs konkrete Wohnbauprojekte der Stadt Wien hinsichtlich der Möglichkeiten zur behindertengerechten Adaption beurteilt. In keinen der miteinander verglichenen Fälle war ein Mehrflächenbedarf gegeben, daher traten auch keine Mehrkosten auf. Werden einzelne Wohnungen speziell behindertengerecht ausgestattet, so ergeben sich vor allem im Bereich der Installationen lt. Schobermayer zusätzliche Mehrkosten von durchschnittlich etwa 5,8 Prozent für die jeweils adaptierte Wohnung (24).
Lettner, der für die Salzburger Landesregierung als Bauberater für behindertengerechtes Bauen tätig ist, hat anhand von drei Wohnungen, die "rollstuhlgerecht" um- bzw. neugeplant wurden, Kostendifferenzen ermittelt. Er kommt zu dem Schluß, daß u.a. aufgrund des Wegfalls von Mauerflächen und damit von Verputz, Tapeten oder Fliesen etc., die Gestehungskosten der rollstuhlgerechten Wohnung gegenüber der Originalplanung in einem der untersuchten Fälle sogar um 1,8 Prozent gesenkt werden konnten. In den beiden anderen Fällen lagen die Mehrkosten bei 0 Prozent (!) und 1,3 Prozent, hier ergaben sich die Mehrkosten durch Einbau einer Dusche und eines zweiten WC, Maßnahmen, die sich bereits auf die Ausstattung der Wohnung beziehen (25).
Schaffraneck, der Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Wohnplätze in Wien, schätzt die bei behindertenfreundlichem Bauen von Wohnungen entstehenden Mehrkosten auf maximal 2 Prozent der Gesamtbaukosten. Bestimmte Wohnbaugenossenschaften, die für die Arbeitsgemeinschaft Wohnraum errichten, verrechnen lt. Schaffraneck keine Mehrkosten für behindertengerechte Wohnobjekte (26).
Hohenester, von der Bau- und Wohnberatung für Behinderte in Graz, schätzt die Mehrkosten, die sich nur auf die baulichen Maßnahmen beziehen, auf durchschnittlich ca. 0,5 Prozent (27).
Die Spanne der zu erwartenden Mehrkosten reicht von 0 bis maximal 2 Prozent, wodurch deutlich wird, daß sich die Mehrkosten für Wohnhäuser in durchaus vertretbaren Größenordnungen halten. Bei öffentlichen Einrichtungen mit aufwendiger Raumerschließung und bei Wohnhäusern in schwieriger Hanglage werden die Mehrkosten allerdings höher anzusetzen sein. Die grundsätzliche Notwendigkeit alten- und behindertengerechten Bauens bleibt natürlich auch dann bestehen, wenn die Mehrkosten über den hier angegebenen Sätzen liegen.
Als Autofahrer z.B. würde man wohl kein Verständnis dafür aufbringen, wenn eine Auffahrt zur Autobahn nur mit kaum überwindbaren Hindernissen zu befahren wäre, weil Mehrkosten für eine "barrierefreie" Auffahrt in Höhe von etwa 5 Prozent nicht investiert wurden. Noch dazu sind die durch Automobile verursachten Gesamtkosten wesentlich höher, als durch zweckgebundene Steuern und Abgaben eingenommen wird; alle Steuerzahler subventionieren den Individualverkehr. Damit wird deutlich, daß das Kostenargument beim alten- und behindertengerechten Bauen ein schlechtes Argument ist.

Altengerechtes Planen und Gestalten

Es können hier zwar nur an einigen wenigen Beispielen Aspekte des altengerechten Planens und Gestaltens erläutert werden, doch sollte dies ausreichend verdeutlichen, daß viele der zu treffenden Maßnahmen allgemeingültig für behindertenfreundliche Gestaltung von Wohnungen sind, d.h. Maßnahmen betreffen, die ebenso für den allgemeinen Wohnungsbau Gültigkeit haben, insbesondere wenn Prinzipien des "anpaßbaren" Wohnungsbaus berücksichtigt werden (vgl. Hinweise im Abschnitt über den "Anpaßbaren " Wohnungsbau).

Grundrissbeispiel für altengerechtes Wohnen
Altenwohnung für 1 Person, Wohnfläche 41,3 m² (28)
Grundrissbeispiel für altengerechtes Wohnen
Altenwohnung für 2 Personen, Wohnfläche 51,1 m² (29)
Grundrissbeispiel für altengerechtes Wohnen
Anpaßbare Laubengangwohnung für Betagte (32)

Die Größe einer neuen, altengerechten Wohnung für eine Person sollte 40 m² nicht unterschreiten, damit auch nach der Möblierung genügend Bewegungsfläche erhalten bleibt. Die Wohnung für zwei Personen sollte hingegen nicht kleiner als 50 m² sein. Hinsichtlich der Plazierung des Schlafraumes wird auch bei Einpersonen-Wohnungen aus wohnmedizinischen Gründen empfohlen, nach Möglichkeit einen separaten Schlafraum mit direkter Belichtung und Belüftung vorzusehen. Die sogenannten Schlafnischen sollten nur in Ausnahmefällen, wenn sich keine andere Grundrißmöglichkeit anbietet, eingeplant werden (30).
In Holland umfaßt der normale Standard einer Altenwohnung nicht weniger als drei Zimmer. Ein Zimmer davon ist allerdings sehr klein und nur geeignet, für kurze Zeit Besucher aufzunehmen.
Ganz offensichtlich sind diese Wohnungen für die Pflege zu Hause konzipiert. Darauf weist nicht nur dieses obligate Gästezimmer hin, sondern auch die Glas-Schiebetür zwischen Wohn- und Schlafzimmer, so daß jemand, der bettlägerig ist und Pflege benötigt, den Kontakt zu anderen Personen in der Wohnung nicht verliert (31). Außerdem sind diese Wohnungen bereits "anpaßbar" errichtet, d.h. wie bereits erwähnt, daß gewisse nachträgliche Änderungen zur Verbesserung der Funktionalität der Wohnung ohne hohen Aufwand vorgenommen werden können.
Das folgende Beispiel bezieht sich auf die Änderung einer bestehenden Altbauwohnung. Es handelt sich um eine Substandardwohnung ohne Bad, mit extrem enger Kochnische und unzureichender Heizung. Charakteristisch für die Situation ist auch hier, daß die Frau die Wohnung auf keinen Fall verlassen möchte. Der Lösungsvorschlag sieht nun folgen
Maßnahmen vor: Neuorganisation der Küche und Veränderung des Ofenstandortes, wodurch die größten Hindernisse und Gefahrenquellen beseitigt sind. Diese Umstellungen werden gemeinsam mit dem Einbau eines behindertenfreundlichen Bades empfohlen. Darüber hinaus werden eine Reihe kleinerer Anpassungsmaßnahmen auch für andere Wohnbereiche vorgeschlagen. Die Adaptierungskosten sind trotz Einbaus des Bades relativ gering, sie werden (ohne Zentralheizung) mit ca. S 70.000,-- angegeben (33).

Grundrissbeispiel für nachträgliche Veränderung einer SubstandardwohnungGrundrissbeispiel für nachträgliche Veränderung einer Substandardwohnung
Substandard-Wohnung: Bestandsplan / Substandard-Wohnung: Lösungsvorschlag (33)

An der alten- oder behinderten rechten Konzeption des Sanitärbereiches läßt sich die Funktionalität einer an die Bedürfnisse angepaßten Wohnung gut darstellen. Wenn eine Lösung nach den Beispielen der abgebildeten Sanitärzellen nicht möglich ist, so sollte doch zumindest eine nachträgliche Adaption, z.B. durch die Entfernung einer Trennwand zwischen Klosett und Bad, nach dem im Kapitel über den anpaßbaren Wohnungsbau beschriebenen Muster durchführbar sein (siehe Abbildung).

Der Sanitärbereich

Grundrissbeispiele für barrierefreie Gestaltung von Sanitärräumen
Zweckmäßige Sanitärraum-Grundrisse (34)

Diese Beispiele zweckmäßiger Grundrisse für Sanitärräume, die der Schweizer Norm SN 521 500 "Behindertengerechtes Bauen" entnommen sind, entsprechen meiner Beurteilung nach der aktuellen Diskussion auch in Österreich. Die österreichische Norm B 1600 "Bauliche Maßnahmen für körperbehinderte und alte Menschen" ist derzeit in Überarbeitung, und es ist zu erwarten, daß, vor allem auch auf den Sanitärbereich bezogen, Änderungen vorgenommen werden.
Die Angaben zu den Montagehöhen von Waschbecken, WC-Muschel, Haltestangen sind ebenfalls der Schweizer Norm entnommen und beziehen sich auf öffentliche Toilettenanlagen. Für den privaten Bereich wird empfohlen, die Höhenanpassung der WC-Muschel an die verschiedenen Körpergrößen mittels eines Aufsatzes vorzunehmen.

Die ergonomische Küche

Ältere und behinderte Menschen sind bei Tätigkeiten in der Küche mitunter mit unüberwindlichen Schwierigkeiten konfrontiert. Diese Probleme liegen aber nur teilweise an einer physischen Einschränkung der Betroffenen, sie haben ihre Ursache vielmehr in der mangelnden Berücksichtigung der Möglichkeiten und Bedürfnisse dieser Personengruppe bei der Planung und Gestaltung von Küchen. Von diesen Problemen betroffen sind jedoch nicht nur behinderte und ältere Menschen, sondern in verschiedenster Form jeder Küchenbenützer.
Kriterien für die altengerechte Gestaltung von Küchen (35): Auf den Betroffenen abgestimmte Arbeitsflächenhöhen sind neben der Untersitzbarkeit von Arbeitsflächen die Hauptkriterien bei der Gestaltung einer altengerechten Küche. Bei der Festlegung der Arbeitsflächenhöhen sowohl für das Arbeiten im Stehen als auch im Sitzen sollte jeweils von der Ellbogenhöhe der betreffenden Person ausgegangen werden. Die günstigste Arbeitsflächenhöhe liegt ungefähr 15 cm unterhalb der Ellbogenhöhe. Für unterschiedliche Tätigkeiten sollten die jeweils passenden Arbeitshöhen angeboten werden. So soll die Oberkante der Spüle etwa 5 cm über der Arbeitsfläche für Vorbereitungsarbeiten, die Oberkante der Kochfläche etwa 5 cm unter dieser Fläche liegen.

Ergonomische Studie zur barrierefreien Gestaltung von KüchenErgonomische Studie zur barrierefreien Gestaltung von Küchen
Küchenprogramm für Senioren / Küche für Gehbehinderte, Höhenmaße (35)

Bei sitzender Arbeitshaltung, die ja für viele ältere Menschen erforderlich ist, muß unter Berücksichtigung der vollen Beinraumhöhe unter den Arbeitsflächen ein Kompromiß zwischen günstiger Arbeitshöhe und der Untersitz- bzw. Unterfahrbarkeit der Arbeitsbereiche eingegangen werden. Für Rollstuhlbenutzer sollten ihrer eingeschränkten Greifhöhe wegen die Oberschränke tiefer gehängt sein. Es ist zu beachten, daß aufgrund der Unterfahrbarkeit von Arbeitsflächen Stauraum entfällt, eine entsprechende Verlagerung des Stauraums in Hoch- und Oberschränke erforderlich macht. Diese Notwendigkeit ist bei kleinen Küchengrundrissen nicht immer leicht realisierbar. Welche Konsequenzen das hat, geht aus dem Küchengrundriß in unten stehender Abbildung hervor.

Einrichtungsbeispiel für eine rollstuhlgerechte Küche
Küche in einer Behindertenwohnung, ca. 8,6 m² (35)
rollstuhltauglicher Eckarbeitsplatz
Eckarbeitsplatz mit Spüle, Arbeitsfläche und Herdmulde
elektrisch höhenverstellbare Arbeitsplatte
Stufenlos höhenverstellbare Arbeitsplatte, Ergomat. (Leicht Küchen)

Diese Küche in einer Behindertenwohnung verfügt über eine Stellfläche (ohne Fensterbreite) von 590 cm²; U-Küche mit 135 Grad-Eckarbeitsplatz, eine Zeile nur 30 bis 35 cm tief verbaubar; Drehen um 360 Grad nur knapp möglich, wenn Sockel unterfahrbar ist; nur 2 Unterbauten (30-35 cm tief) möglich; kein Platz für Backrohr, Geschirrspüler und Vorratsschrank. Als günstigste Anordnung der Hauptarbeitsbereiche Spüle, Arbeitsfläche und Herdmulde erweist sich ein Eckarbeitsplatz, der 135 Grad einnimmt, da hier die geringsten Wegdistanzen zu überwinden sind. Diese Anordnung kann aber nicht nur für Rollstuhlbenutzer empfohlen werden, sondern generell für das Arbeiten im Sitzen (siehe Abbildung: Eckarbeitsplatz 135 Grad mit Spüle, Arbeitsfläche und Herdmulde voll unterfahrbar) (35).
Im Zusammenhang mit Problemen der Handhabung sind alle Elemente (Griffe an Türen und Laden, Bedienungselemente für Herd, Backrohr, Kühlschrank, Wasserarmaturen usw.), mit denen die Hand in Kontakt kommt, so zu gestalten, daß deren Handhabung – ihre Betätigung aber auch das bloße Berühren – ganz den physiologischen Gegebenheiten der Hand, unter Berücksichtigung möglicher Funktionseinschränkungen, entspricht, also "handgerecht" ist. Andererseits ist durch Optimierung der Organisation von Küchenarbeit und der Unterbringung von Küchengeräten und Vorräten der Umfang und Schweregrad der erforderlichen Manipulationen so gering wie möglich zu halten.

Fachberatung für Planer und Betroffene

Für die Realisierung alten- und behindertengerechter Maßnahmen ist sowohl für Planer als auch für Betroffene ein hoher Informationsstand erforderlich. Eine qualitativ hochwertige fachliche Beratung ist deshalb für eine effiziente Umsetzung eine unabdingbare Notwendigkeit. In Österreich verfügen wir derzeit über einige Bauberatungsstellen, die z.T. auf private Initiativen zurückgehen, z.T. werden sie von Gemeinden oder Landesregierungen betrieben (...). Daß darüber hinaus Aktivitäten sinnvoll sind, zeigen uns folgende Beispiele im Ausland. Die Schweiz verfügt seit 1982 über die bereits erwähnte Fachstelle für behindertengerechtes Bauen in Zürich, die ganz wesentliche Aufgaben im Bereich der Koordination, Information und Öffentlichkeitsarbeit wahrnimmt und als Zentrale für die in den Kantonen existierenden Beratungsstellen fungiert. Die Fachstelle entwickelte wichtige Fachunterlagen und war sehr initiativ an der Erstellung der Schweizer Norm zum behindertengerechten Bauen beteiligt. Insgesamt haben sich die Möglichkeiten der Durchsetzung behinderten- und altengerechten Bauens in der Schweiz aufgrund der permanenten Aktivitäten dieser Fachstelle im Vergleich zu Österreich wesentlich verbessert.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es in München seit 1987 eine sehr interessante Beratungsstelle speziell für den Bereich des Wohnens alter Menschen. Die Beratungsstelle wird vom Sozialreferat der Stadt, Abteilung Altenhilfe, betrieben. Es wird nach dem Programm "Wohnungsanpassung für ältere Menschen" vorgegangen, das davon ausgeht, daß eine zeitgemäße kommunale Altenpolitik sich nicht allein an den Defiziten älterer Menschen orientieren, sondern stärker die vorhandenen Fähigkeiten alter Menschen nutzen und fördern sollte. Deshalb werden behutsame, auf die Wohnbedürfnisse der alten Menschen zugeschnittene Modernisierungsmaßnahmen besonders gefördert, neben der Schaffung geeigneter Wohnungen bei Neubauprojekten. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, daß in vielen Fällen keine umfangreichen Modernisierungsmaßnahmen erforderlich sind, sondern häufig schon kleinere bauliche oder ausstattungsmäßige Anpassungsmaßnahmen genügen, um den Betroffenen ein selbständiges Leben zu erhalten. Das Beratungsteam, das aus Architekten und einer Sozialpädagogin besteht, klärt vor Ort, welche Veränderungen in der Wohnung notwendig sind und hilft bei der Durchführung (36). Durch diese persönliche Beratung, die sich ganz an der individuellen Situation orientiert, und durch die gewährten Hilfestellungen im Bereich der Finanzierung ist ein großer Fortschritt erzielt worden. Diese Beratungsinitiative ist Teil eines umfassenden Gesamtkonzeptes kommunaler Altenarbeit in München.
Der Ausbau der Beratungsaktivitäten und die bessere Koordination der Maßnahmen in Österreich ist, so zeigen uns die ausländischen Beispiele, unbedingt erforderlich. Das Institut für Soziales Design ist in einer umfangreichen Studie (37) zu dem Schluß gekommen, daß auch in Österreich die Schaffung einer Fachstelle für behinderten- und altengerechtes Bauen nach Schweizer Vorbild zweckmäßig wäre. Die kontinuierliche und kompetente Arbeit einer derartigen Servicestelle gemeinsam mit dem Ausbau des Beraternetzes ist eine der wesentlichen Voraussetzungen auch für die Realisierung der in diesem Beitrag angestellten Überlegungen zum altengerechten Wohnen.

Zusammenfassung

Ein hoher Prozentsatz alter Menschen lehnt den Wechsel in ein Altenwohnheim ab. Doch der Zustand der Wohnungen, die Ausstattung und ihre Zugänglichkeit entscheiden, ob, wie lange und unter welchen Bedingungen die Bewohner auch im Alter in ihren eigenen Wohnungen bleiben können. Von welcher Seite das Problem auch betrachtet wird – eines wird klar: Je funktioneller Wohnungen von vornherein konzipiert und ausgestattet sind, je besser die Zugänglichkeit gelöst ist, desto leichter wird es sein, diese Wohnungen auch dann zu nutzen, wenn körperliche Beeinträchtigungen eingetreten sind. Auch der Einsatz sozialer Dienste läßt sich bei entsprechendem Wohnungsstandard effizienter und kostensparender gestalten.

Im Zusammenhang mit der Wohnsituation betagter Menschen sind zwei wesentliche Forderungen für die Zukunft zu erheben:
Erstens: Alle neuen Wohnbauten sind behinderten- und altenfreundlich zu errichten. Wobei nach dem Konzept zum "anpaßbaren" Wohnungsbau günstige Voraussetzungen geschaffen werden können, um im Bedarfsfalle entsprechende Änderungen kostengünstig vornehmen, zu können.
Zweitens: Adaptierung bzw. Sanierung von bestehenden Wohnungen, die möglichst behutsam auf die Möglichkeiten und Wünsche der Bewohner abzustimmen sind.
Darüberhinaus gilt es, alternative Wohnformen für Betagte, wie z.B. Wohngemeinschaften, zu entwickeln, aber auch "beschützende" Wohnungen mit hohem Betreuungsstandard zu errichten und die verschiedensten unterstützenden Maßnahmen wie Heimhilfe, mobile Pflegedienste bzw. Assistenzdienste, Essen auf Rädern etc. auszubauen.

Zur Durchsetzung und wirksamen Unterstützung aller Maßnahmen im Bereich des altengerechten Wohnens ist der Ausbau der Beratungsaktivitäten in Österreich unbedingt notwendig sowie die Errichtung einer Österreichischen Fachstelle für behinderten- und altengerechtes Bauen als zentrale Informations- und Serviceeinrichtung. Planer, Gewerbe und Industrie sind aufgefordert, den Bedürfnissen der permanent zunehmenden Bevölkerungsgruppe der Senioren entsprechende Konzepte und Lösungen zu präsentieren.

Literatur
  1. Plöckinger, Kurt, bei einem Referat über neue Wohnmodeile im Rahmen des Symposiums "Wollen alte Menschen ‚anders’ wohnen", am 27. 4. 1990 in der VHS-Hietzing, Wien
  2. FS 2/Club 2 zum Thema Wohnheime für alte Menschen, 23. 8. 1990
  3. Gamillscheg, Hannes: Abschied der Alten von der Apathie. Statt auf Heime setzt Dänemark auf altersgerecht umgebaute Wohnungen. In: Frankfurter Rundschau vom 13. 1. 1990
  4. Salzburger Nachrichten, 9. 6. 1990
  5. Diese Studie, in deren Rahmen 600 ältere Personen befragt wurden, wurde von der Fachhochschule für Sozialarbeit Köln durchgeführt.
  6. Bundesamt für Wohnungswesen, Bern (Hg.): Schriftenreihe Nr. 23/1981, zitiert nach Loeschke, Gerhard, o. J., S. 6
  7. FS 2/Club 2 zum Thema Wohnheime für alte Menschen, 23. 8. 1990
  8. Majce, Gerhard, bei einem Podiumsgespräch im Rahmen des Symposiums "Alterswärts" am 29. 3. 1990 in der VHS-Hietzing, Wien
  9. vgl. Hovorka, Hans: Wien ist ... anders. Plädoyer für ein stadtteil- und lebensweltbezogenes Planungs- und Handlungsverständnis zum Älterwerden und Altsein in der Großstadt. Wien 1989
  10. vgl. Pirhofer, Gottfried/Plöckinger, Kurt: Die Wege des Alters. Städtische Lebensweisen in den späten Jahren. Wien 1989
  11. Pruner, Peter: Wohnungs- und aktivitätsbezogene Probleme behinderter und alter Menschen. Grundlagen zur Aus- und Fortbildung von Heimhelferinnen und Heimhelfern. Wien 1990; zitiert nach ibf-Spektrum Nr. 463 v. 15. 12. 1984
  12. Pruner, Peter: Probleme des Wohnens alter Menschen. Ein Versuch, Lebenssituationen betagter Menschen anhand konkreter Fallbeispiele nachvollziehbar zu machen. Wien 1990; zitiert nach ibf-Spektrum Nr. 463 v. 15. 12. 1984
  13. Volkszählung 1981, zitiert nach Hovorka, H.
  14. vgl. Pirhofer, Gottfried/Plöckinger, Kurt, a. a. 0., S. 9
  15. Standard, 21. 3. 1990, S. 8
  16. Pirhofer, Gottfried/Plöckinger, Kurt, a, a. 0., S. 27, unter Bezugnahme auf: IFES: Die Gesellschaftliche Reintegration älterer Menschen. Endbericht, Wien 1975
  17. ebenda, S. 29
  18. Zima, Hannes: Wohnen im Alter. In: Wien aktuell, 1/1983, S. XV, zitiert nach Pirhofer, G./ Plöckinger, K. a. a. 0., S. 30
  19. vgl. Hovorka, Hans, a. a. 0.
  20. Stromberger, Christine: Lebenslage und Daseinsbewältigung älter werdender und alter Frauen. Referat im Rahmen des Seminars des Verbandes Wiener Volksbildung "Alltagsleben im Stadtteil – Sichtweisen älterer Menschen" am 25. 11. 1989 in Wien
  21. Schweizerische Fachstelle für behindertengerechtes Bauen (Hg.): Informationsbulletin 14/ 89, S.4
  22. Schweizerische Fachstelle für behindertengerechtes Bauen (Hg.): lnformationsbulletin 15/ 89, S.4
  23. ebenda, S. 3f.
  24. Schobermayr, J. J.: Untersuchung über die Möglichkeit der Adaptierung von Wohnungen des Wohnbauprogrammes der Stadt Wien zu behindertengerechten Wohnungen. Wien 1986
  25. Lettner, F.: Rollstuhlgerecht planen, bauen, einrichten. Salzburg 1987
  26. Pruner, Peter: Mehrkosten für behindertengerechtes bzw. behindertenfreundliches Bauen. Manuskript, Wien 1990
  27. ebenda
  28. Loeschke, Gerhard: Bauen für Alt und Jung, Seminarunterlage für Fortbildungsveranstaltung des Bundes Deutscher Baumeister. 0. J., S. 41
  29. ebenda, S. 37; Quelle: Coburg-Hörleinsgrund, Architekt Dipl,Ing. A. Henning
  30. ebenda,S.18
  31. Schweizerische Fachstelle für behindertengerechtes Bauen (Hg.): Informatinsbulletin 15/ 89, S.3
  32. ebenda
  33. Stolarz, Holger: Anpassung der Wohnung an die Bedürfnisse alter Menschen. In: Wohnen im Alter, Dokumentation des 1. Deutschen Fachkongresses vom 9. bis 11 . Mai 1988 in Friedrichshafen, Bonn 1989, S. 58
  34. Diese Beispiele beziehen sich auf die Schweizer Norm SN 521 500 "Behindertengerechtes Bauen" aus dem Jahr 1988
  35. vgl. auch: Berdel, D./Hammerschmied, H./ Pruner, P. u. a.: Behinderten- und altengerechtes Küchenprogramm. Forschungsbericht. Wien 1984
  36. Sozialreferat der Landeshauptstadt München (Hg.): Programm Wohnungsanpassung für ältere Menschen, Erfahrungsbericht 1989
  37. Berdel, D./Pruner, P.: Durchsetzungsbedingungen behindertengerechten Bauens. ForschungsberIcht, Wien 1989